Karneval

Besonder bekannt, auch weit über die Grenzen Nettetals, ist der Leuther Altweiber eine Woche vor dem üblichen Karneval. Doch warum wird in Leuth bereits eine Woche vor Karneval traditionell Altweiber gefeiert? Dieser Brauch machte vor über 100 Jahren aus der Not eine Tugend. Denn Mitte des 19. Jahrhunderts wollte die Kirche –Leuth gehört bekanntlich zum Bistum Münster– mit dem 40-stündigen Gebet gegen die Auswüchse der Karnevalstage angehen. „Diese Tage werden bald die ersten Bettage werden“, notierte 1854 ein Pfarrer. Und 1855 befahl sogar ein Geistlicher, man müsse „dem so fest eingewurzelten und verwachsenen Unfug, wie es der tolle Karnevalstrubel ist“, entgegentreten.

So erging des auch den Leuther. Sie saßen laut Erzählungen noch in den 50er-Jahren brav beim Gebet in der Kirche, während es im übrigen Rheinland hoch her ging.

Doch die Leuther sind ja nicht dumm – und so wurde der Altweiber kurzerhand vorverlegt.

Hier ein Artikel von Ludger Peters, der am 23.02.2011 in der Rheinischen Post erschien:

1868 stifteten Pfarrer Knippen und eine unbekannte Leuther Familie 1200 Taler zur Feier des „vierzigstündigen Gebets“. Es wurde gezielt gegen die „Lustbarkeiten“ des Karnevals gesetzt. In den 1920er-Jahren lockerte Pfarrer Schlüter den Ritus, der Kirchenchor wagte als erster, närrisch zu sein.

Die katholische Kirche hat – aus ihrer Sicht – sehr viel Langmut bewiesen. Aber zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es der Geistlichkeit zu viel. Dem zügellosen karnevalistischen Treiben musste ein Ende gesetzt werden. Im Bistum Münster setzten – übrigens nicht flächendeckend – Pfarrer in Gemeinden das „vierzigstündige Gebet“ an – ausgerechnet und gezielt über Karneval.

Leuth gehörte bis 1928 zum Bistum Münster und zum Kreis Geldern. Erst damals wechselte es an der Seite Hinsbecks in den Landkreis Kempen-Krefeld und in das noch junge Bistum Aachen. Genaue Aufschlüsse über den lokalen Karnevalsärger Mitte des 19. Jahrhunderts fehlen, weil das Lagerbuch der Pfarre in den Wirren des Kriegsendes 1945 verschwand.

Pfarrer Paul Schrievers berichtete zehn Jahre später, es sei zerfetzt und durchnässt in einem Panzergraben zwischen Leuth und der Sektion Busch gesehen worden. Wie es ausgerechnet dahin kam und warum sich niemand kümmerte, ist ungeklärt.

Stiftung eingerichtet
Die „Herrlichkeit Leuth“ (Johann Finken/Leopold Heinrichs) berichtet, Pfarrer Peter-Josef Knippen habe 1868 das eucharistische Amt eingeführt und mit 400 Talern ausgestattet. Weitere 800 Taler kamen von nicht genannten Familien. Die Feier des vierzigstündigen Gebets erinnerte an die Grabesruhe Christi und war ursprünglich eine Gebetswache in der Karwoche.

Die Feier begann in Leuth mit der Aussetzung um 6 Uhr am Sonntag Quinquagesima und endete abends am (Veilchen-)Dienstag mit der Predigt eines auswärtigen Paters und einer Complet. Pfarrer Oswald Poeth gestaltete sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Geistlichen aus der Nachbarschaft, Messdienerscharen sowie den „Bräutchen“.

Sein Nachfolger Pfarrer Schlüter, der nach dem Ersten Weltkrieg kam, stieß in der Gemeinde auf erheblichen Widerstand, als er in den 1920er-Jahren das vierzigstündige Gebet aufgeben wollte. Das Stiftungsgeld war nämlich (von der Inflation) aufgebraucht. Schlüter hatte es vor allem mit dem Widerstand der wohlhabenden Bauern im Ort zu tun, die den großstädtischen Essener und seine vom Ruhrgebiet geprägte soziale Einstellung ganz und gar nicht mochten.

Gewohnheit gemacht, den Kirchenchor nach den Gebetstagen (also dienstags) als Dank für sein gesamtes Engagement aus der Kirchenkasse bewirten zu lassen. Er gesellte sich dazu und verzichtete auf den Prunk seiner Vorgänger – nicht nur, weil das Geld fehlte.

Bei dieser Gelegenheit kehrte der Karneval nach Leuth zurück. Denn 1926, also vor 85 Jahren, hielt der Kirchenchor die Nachfeier im Lokal der Witwe Franz Dückers, das am Rand des heutigen Petershofs an der Dorfstraße stand. Es brannte 1931 ab. Im Gesellschaftszimmer hockten die frommen Chorsänger in bunten Kostümen.

Der Bazillus carnevalensis erfasste die braven Leuther. 1927 hielt der MGV Concordia Leuth seinen gemütlichen Abend nicht samstags vor Karneval, sondern – am Rosenmontag. Heimlich machte auch der Schützenverein „Tell“ karnevalistisch mobil, und die Schützen organisierten ab 1929 einen Kappenabend im Saal Siegbert Dückers am Hampoel.

Dort spielten Organist Ernst Peters, Heinrich Rütten (Klu-eten Hein) sowie Theo und Willy Krantzen zum Tanz auf. Der „Tell“ wurde schließlich der Veranstalter von Kleinfastnacht, der Woche vor dem regulären Karneval. Der zeitweilig konkurrierende „Kriegerverein“ stellte seine Aktivitäten bald ein.