Der Sohn übertrifft den Vater

SERIE: STRASSENNAMEN UND IHRE GESCHICHTE

Der Sohn übertrifft den Vater

Die lange Bürgermeister-Ära von Heinrich und August Färvers in Hinsbeck und nur 25 Jahre Bürgermeister-Zeit in Leuth

VON MANFRED MEIS

HINSBECK/LEUTH Rund 45 Jahre lang kannten die Einwohner der gemeinsam verwalteten Gemeinden Hinsbeck und Leuth Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts nur einen Bürgermeister-Namen: Färvers. 1889/90 gab es einen nahtlosen Übergang von Heinrich Färvers auf den Sohn August, der schließlich doppelt so lange im Amt war, Hinsbecker Ehrenbürger und mit einer Straßenbezeichnung geehrt wurde. Während die Hinsbecker es bei einem Politiker beließen, würdigten die erst nach dem Zweiten Weltkrieg einigermaßen selbstständigen Leuther die Tätigkeit von zwei Bürgermeistern aus dieser Zeit, Franz Nelihsen und Paul Breuer, mit Straßennamen.

Einigen Wirbel verursachte 1873 die Ernennung von Peter Heinrich Färvers, wie der frühere Kreisarchivar Gerhard Rehm im „Hinsbeck“-Buch (1997) schildert. Den Zweiten Beigeordneten und Verwaltungssekretär hielt der Gelderner Landrat v. Eerde wegen seines Hauptberufs als Schankwirt für nicht unabhängig genug hielt. Auch Sohn August hörte 1889 ähnliche Vorwürfe. Er war zwar schon im Alter von 25 Jahren Nachfolger seines Vaters als Gemeindesekretär auf dem Rathaus geworden und wurde 1876 zum Ersten Beigeordneten ernannt, hatte aber auch noch ein Tuchgeschäft und das Postamt. Um seinen Kritikern entgegenzukommen, verkaufte er das Tuchgeschäft. Er war in Hinsbeck Mitgründer der Feuerwehr (1882) und des Verkehrs- und Verschlönerungsvereins (1907), an dessen Spitze er dann fast 20 Jahre lang stand. 1919 bat er wegen seiner angegriffenen Gesundheit um die Pensionierung, immerhin 73 Jahre alt. Seine Verdienste würdigte die Gemeinde, als sie ihn Ende 1926 zum Ehrenbürger ernannte; er starb Anfang September 1927 – kurz vor der Vollendung seines 80. Lebensjahres.

Straßenschild Franz-Nelihsen-Straße

Franz Nelihsen war am 1. März 1945 einer der wenigen Männer in Leuth, auf die die US-Army stieß, als sie von Kaldenkirchen her kampflos das zwangsevakuierte Dorf an der Provinzialstraße in Richtung Geldern einnahm. Der Landwirt und Chef der örtlichen Feuerwehr, geboren 1899, wurde zum Bürgermeister ernannt – und wurde von 1946 bis 1963 immer wieder gewählt, zunächst als Mann des Zentrums, dann der CDU. An „de Schöpp“, wie er von seinen Leuthern nur genannt wurde, kam niemand vorbei: seit 1920 Mitglied der Feuerwehr, davon 40 Jahre als Wehrleiter; 50 Jahre Vorsitzender der Spar- und Darlehnskasse; 25 Jahre Vorsitzender der Jagdgenossenschaft; Aufsichtsratsvorsitzender der Molkereigenossenschaft Hinsbeck, Mitglied im Beirat des Niersverbandes und Aufsichtsrat des Wasser- und Bodenverbandes Nette. Unerschrocken schützte er während des Krieges Niederländer vor deutschen NS-Behörden und knüpfte nach 1945 wieder die Kontakte zu den Nachbarn. Als Feuerwehrchef musste er 1955 mitansehen, dass sein Hof in der Ortsmitte an der Locht abbrannte – er baute ihn wieder auf im freien Feld am früheren Wasserturm (heute A 61-Zufahrt Kaldenkirchen). Als „Altbauer vom Schöppenhof“ verfolgte er nach seinem Rücktritt als Bürgermeister noch 30 Jahre lang das politische Geschehen, bis er im 95.Lebensjahr verstarb.

Sein Nachfolger wurde 1963 der technische Bundesbahnoberinspektor Paul Breuer, Leiter der Bahnmeisterei Kaldenkirchen, der 1959 in Leuth ein Eigenheim errichtet hatte und 1961 erstmals in den Gemeinderat gewählt worden war. Sein technisches Know-how kam auch der Verwaltung zugute, die damals kein eigenes technisches Amt hatte. Breuers Bürgermeisterzeit endete am 31. Dezember 1969 mit dem Beginn der Stadt Nettetal. Hier wurde er für die folgenden neun Jahre Ortsvorsteher für Leuth und einige Jahre Sprecher der CDU-Fraktion im Stadtrat. Sein größter Erfolg war die Durchsetzung des von der Gemeinde Leuth noch konzipierten Baugebietes „Leuth-Südlich der Kirche“, dass die Stadt Nettetal aus der Planung streichen wollte; es wurde zwar verkleinert, doch trug es dazu bei, dass die Kirche nun fast mitten im Dorf steht. Es hat fast 50 Jahre später ein Pendant westlich des Buscher Wegs erhalten, erschlossen durch die Paul-Breuer-Straße. Breuer starb am 20. Mai 1980 – gut zwei Wochen zuvor war er noch mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden.

August Färvers auch in Kaldenkirchen

Für knapp zwei Monate, vom 23. April bis 15. Juni 1945, hatte auch Kaldenkirchen einen August Färvers als kommissarischen Bürgermeister. Die Amerikaner versetzten ihn dann nach Kempen, wo er bis Ende 1945 als Bürgermeister und dann zwei Jahre als Stadtdirektor wirkte. Färvers ist ein Sohn des Hinsbecker Bürgermeisters August Färvers, 1885 geboren. Er war bis 1933 Amtsbürgermeister in Lechenich (heute Teil von Erftstadt), wurde von den Nazis in den Ruhestand versetzt und kam 1943 zur Kreisverwaltung Kempen-Krefeld. Er starb 1953 in Hinsbeck.

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